22.07.2021 | Brüderkrankenhaus Trier
Im Rahmen einer internationalen Studie, die von Professor Dr. med. Ivar Friedrich, Chefarzt Herz- und Thoraxchirurgie im Herzzentrum Trier des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder Trier und Professor David Paul Taggart von der Universität Oxford geleitet wurde, haben insgesamt 14 Kliniken in Großbritannien, Deutschland, Österreich und Israel unter Studienbedingungen neuartige Venenstents des israelischen Herstellers VGS implantiert und die Patienten nachuntersucht. Die Ergebnisse wurden nun im wichtigsten Fachblatt der Herzchirurgie, dem „Journal of Thoracic and Cardiovascular Surgery“, publiziert.
Patienten mit schweren
Verkalkungen an den Herzkranzgefäßen droht ein Herzinfarkt und Herzschwäche.
Luftnot und Schmerzen in der Brust, insbesondere bei Anstrengung, sind die
wichtigsten Symptome. Wenn die medikamentöse Behandlung nicht mehr ausreicht,
müssen Wege gefunden werden, um die Durchblutung des Herzens zu verbessern. „Dies
kann durch Stents geschehen, die in das Innere des Gefäßes eingebracht werden
und dann die Verkalkung beiseite drücken, um damit die Durchgängigkeit des
Herzens zu verbessern. Sind bereits verschiedene Herzkranzgefäße betroffen,
besteht zumeist die Notwendigkeit zur Bypassoperation“, sagt Prof. Dr. med.
Ivar Friedrich.
Umleitungen für den Blutfluss
Bei einer
Bypassoperation werden Umleitungen geschaffen, über die das Blut unter Umgehung
der Verkalkungen in das Herzkranzgefäß einströmen kann. „Diese Umleitungen
können aus Arterien bestehen, die aus der Brustwand oder aus dem Arm
herauspräpariert werden oder auch aus Venen, die dem Bein entnommen werden“,
erläutert Professor Friedrich. Während
die Arterien nicht immer für alle Anschlüsse vorhanden sind, steht die Vene
zumeist in ausreichender Länge zur Verfügung. Deshalb werden immer noch in den
meisten Fällen Venen verwendet, um Bypässe herzustellen.
Zwischen Venen und
Arterien besteht jedoch ein sehr wichtiger Unterschied. In den Venen, in denen
das sauerstoffarme Blut zurück zum Körper transportiert wird, ist der Blutdruck
nur sehr gering. Demzufolge sind auch die Venenwände nur sehr dünn und haben
nur eine dünne Muskelschicht. Arterien hingegen, die das Blut vom Herzen weg
transportieren, stehen unter hohem Druck und so sind die Wände kräftig und
muskelstark. Bei der Bypassoperation werden die Umleitungen im arteriellen
Hochdrucksystem verlegt. Und so kommt es, dass bei der Verwendung von Venen
diese von ihrem natürlichen Niedrigdrucksystem in ein Hochdrucksystem
verpflanzt werden. „Dafür sind sie ja eigentlich gar nicht gemacht“, erklärt
Professor Friedrich. Und so laste nun der hohe Druck auf diesen Gefäßen, was zu
erheblichen Veränderungen in der Struktur der so verpflanzten Venen führe. Die
langfristige Folge ist, dass in relativ kurzer Zeit Gefäßveränderungen in der
Vene passieren, die der Verkalkung von Arterien nicht unähnlich sind. Schon
lange sei bekannt, dass nach zehn Jahren nur noch die Hälfte aller Venenbypässe
offen und nur noch etwa 10 Prozent frei durchgängig und ohne Verkalkungen sind,
erläutert der Trierer Herzchirurg. Die verstopften Venenbypässe transportieren
ihrerseits nicht mehr genügend Blut, so dass es wieder zu Angina pectoris und
Luftnot kommen kann. Auch das Auftreten eines Infarktes wird wieder
wahrscheinlicher. Eine Zweitoperation zur Bypassversorgung ist meist mit einem
höheren Risiko verbunden und die Stentimplantation nicht immer erfolgreich.
Seit den ersten Venenbypässen vor fast 100 Jahren hat es schon vielfache
Versuche gegeben, diesen Degenerationsprozess von Bypässen zu verhindern.
Medikamentöse, mechanische und genetische Eingriffe haben bisher keinen Erfolg
erbracht.
Neuartige Venenstents können Venenbypässe extern
stabilisieren
Nun deutet sich endlich
eine Wende an. In Zusammenarbeit mit der israelischen Firma VGS ist es nun
gelungen, deutliche Zeichen der Verbesserung der Haltbarkeit von Venenbypässen
zu dokumentieren. Eyal Orion, Gründer und Inhaber von VGS hat einen Stent
entwickelt, der Venenbypässe von außen stützt. Dadurch lastet der arterielle
Druck nicht mehr auf der Gefäßwand sondern auf dem Drahtgeflecht des Stents.
Zudem werden die Unregelmäßigkeiten im Gefäßverlauf beseitigt, so dass es nicht
mehr zu Verwirbelungen im Blut kommt, die die Innenhaut des Gefäßes schädigen.
Dies sind die Ergebnisse im Rahmen der internationalen Studie unter
Federführung von Prof. Dr. Ivar Friedrich und Prof. David Paul Taggert.
Erneute
Katheteruntersuchungen der unter Studienbedingungen gelegten Venenbypässe nach
zwei Jahren haben gezeigt, dass die Gefäßwände bei den Bypassvenen, die mit
einem Stent versorgt wurden, zarter waren und weniger Veränderungen aufwiesen
als solche Venen, die keinen Stent erhielten. Die Unterschiede zwischen den
Gruppen waren so groß, dass nach statistischer Analyse von einem biologischen
Schutzeffekt des Venenstents ausgegangen werden kann. „Verbesserungen durch
Schutz der Vene sind bisher noch nie in einer größeren Patientengruppe gezeigt
worden und haben auch einen wichtigen Einfluss auf andere Fachgebiete, wie die
Gefäßchirurgie, die ebenfalls Venen als Arterienbypass verwenden“, erklärt
Professor Friedrich. Auch hier kommt es zu Gefäßveränderungen in den Bypässen,
die entweder eine erneute Bypassoperation mit weiteren Venen, mit künstlichen
Arterien oder gar einer Amputation zur Folge haben. Auch Patienten, die einen
Shunt zur Dialyse erhalten haben, profitieren von diesen Erkenntnissen. Der
Shunt kann sich, als Verbindung zwischen den Armarterien, ebenfalls verändern
oder von einem solchen Stent geschützt werden.
Nachdem diese wichtige
Studie zunächst in Europa durchgeführt wurde, wird sie zur Zeit mit einer
größeren Patientengruppe noch einmal in den USA und in Kanada wiederholt. Diese
weiteren Studienergebnisse sollen im Laufe des Jahres 2022 vorliegen. „Sollten
sich die Befunde bestätigen, wird dies in Zukunft erhebliche Auswirkungen auf
die Bypassoperationen mit der Verwendung von Venen haben“, freut sich Professor
Friedrich. „Der externe Stent für
Venenbypässe wird wohl zum Standard und damit die langfristige Offenheitsrate
von Venenbypässen verbessert“, schlussfolgert der Herz- und Thoraxchirurg.
Über das Herzzentrum Trier
Das Herzzentrum Trier versteht sich als
Anlaufstelle und Referenzzentrum für alle Therapieformen von
Herzerkrankungen in der Region. Es besteht aus den drei Kernabteilungen
Kardiologie, Herzchirurgie und Rhythmologie des Brüderkrankenhauses Trier sowie
internen und externen Kooperationspartnern.
Im Herzzentrum Trier
werden Patienten mit sämtlichen kardiovaskulären Erkrankungen behandelt. Ein
besonderer Schwerpunkt liegt auf invasiven Therapieverfahren von
Herzklappenfehlern an der Aorten-, Mitral- und Trikuspidalklappe,
Herzrhythmusstörungen, atherosklerotischen Herzkranzgefäßerkrankungen,
Herzmuskelerkrankungen sowie Erkrankungen der thorakalen Aorta.
Die Abteilung für Herz- und Thoraxchirurgie wurde
vor 30 Jahren am Brüderkrankenhaus Trier etabliert. In all den Jahren ist die
Herzchirurgie wichtige Säule der Herzmedizin geblieben und war Voraussetzung
für die Gründung des Herzzentrums Trier vor drei Jahren.