22.01.2019 | Brüderkrankenhaus Trier
Rund 75.000 Reanimationen führen Deutschlands Rettungsdienste jedes Jahr durch, in einer Stadt von der Größe Triers erleiden jährlich ca. 100 Menschen den plötzlichen Herztod. Läuft die Rettungskette von der Laienreanimation bis zur Einlieferung ins Krankenhaus reibungslos, ist die Wiederbelebungsrate hoch. Entscheidend für Überleben und Lebensqualität ist jedoch auch, ob die Behandlung in einer auf reanimierte Patienten spezialisierten Klinik erfolgt. In den aktuellen internationalen Leitlinien wird deshalb gefordert, reanimierte Patienten in speziellen Zentren weiter zu behandeln. Das Brüderkrankenhaus Trier hat im Januar ein Cardiac Arrest Zentrum eröffnet und dieses jetzt im Rahmen eines Symposiums vorgestellt.
Vor drei Jahren starteten ärztliche und pflegerische Mitarbeiter der Abteilungen für Anästhesie und Intensivmedizin sowie Innere Medizin III / Kardiologie des Brüderkrankenhauses die Kampagne "Hand aufs Herz - Trier rettet Leben." In mehreren Schulen unterrichten die Experten seither in Sachen Laienreanimation. Auch bei Angeboten wie dem "Trierer Gesundheitstag" ist die Initiative regelmäßig vertreten. 2019 werde man die "1000er-Marke" knacken, erwartet Assistenzarzt Tobias Hauptmann mit Blick auf die Zahl der dann geschulten Schülerinnen und Schüler.
Die Kampagne ist ein wichtiger und sichtbarer Baustein des neuen Cardiac Arrest Zentrums Trier, das zum 1. Januar 2019 seine Arbeit aufnahm und kürzlich (12. Januar 2019) vorgestellt wurde. "Schon seit Jahren sind wir aktiv darum bemüht, die Versorgung reanimierter Menschen weiter zu verbessern", erklärte Dr. med. Karl Eugen Hauptmann, Chefarzt der Kardiologie, zum Auftakt des Symposiums. Einen "Erfolgsfaktor" bilde hierbei das enge Zusammenspiel von Anästhesisten und Kardiologen, so Dr. Hauptmann.
Dr. med. Thomas Gehrig, Leitender Oberarzt der Kardiologie, erläuterte den Besuchern - im Schwerpunkt niedergelassene Mediziner und Klinikärzte sowie Mitarbeiter von Rettungsdiensten - Ziel und Struktur des Zentrums. Auch dank Kampagnen wie "Hand aufs Herz" sei die Bereitschaft der Menschen zur Laienreanimation deutlich gestiegen - obschon diese im Vergleich zu den Niederlanden oder skandinavischen Ländern nach wie vor niedrig sei. Eine Rettungskette sei nur so erfolgreich wie ihr schwächstes Glied, unterstrich Dr. Gehrig einmal mehr die Notwendigkeit, dass Laien, die Zeugen eines plötzlichen Herztods werden, sofort Hilfe organisieren und mit Maßnahmen wie der Herzdruckmassage beginnen.
Selbst wenn das erste Glied der Behandlungskette optimal funktioniert, ist für den langfristigen Erfolg ein weiterer Faktor entscheidend: Erfolgt die Behandlung in einer auf reanimierte Patienten spezialisierten Klinik? Studien zeigen, dass die Chancen auf eine hohe Lebensqualität nach Wiederbelebung deutlich höher sind, wenn die Patienten in einem Cardiac Arrest Zentrum behandelt wurden; diese verfügen über eine extrem hohe spezifische Qualifikation der einzelnen beteiligten Fachdisziplinen und halten auch sämtliche diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten vor, wie etwa die Koronarangiographie.
Auf
deren Bedeutung ging Dr. Gehrig in seinem zweiten Vortrag ein. Seine Botschaft:
"Die Koronarangiographie rettet Leben." Zugleich stellte er klar, dass es bei
einer Postreanimationsbehandlung immer um mehr gehe als "nur" darum, das Herz
wieder zum Schlagen zu bringen: "Wir wollen nicht nur Leben retten, wir möchten
eine möglichst hohe Lebensqualität erhalten." Hierbei greift die hohe fachliche
Kompetenz verschiedener Akteure Hand in Hand. Dr. med. Matthias Deppe,
Leitender Oberarzt der Klinik für Innere Medizin und internistische
Intensivmedizin im Evangelischen Krankenhaus Oldenburg, führte beispielhaft die
mittlerweile mehr als 130 zertifizierten ALS-Provider und ILS-Provider des
Brüderkrankenhauses ins Feld. Die Abkürzungen stehen für "Advanced-Life-Support"
und "Immediate Life Support", die entsprechenden Kurse vermitteln alle
theoretischen und praktischen Fertigkeiten zur Behandlung von
Herz-Kreislauf-Stillständen bei Erwachsenen.
Wie
Standardisierung und Qualitätssicherung in der Postreanimationsbehandlung die
Prognose für den Patienten verbessern, erläuterte Dr. med. Dirk Nauheimer. Der
Oberarzt betonte auch die Bedeutung einer "realistisch und empathisch geführten
Kommunikation" mit Patienten und Angehörigen. Der Neurologe Dr. med. Bernd
Rohrschneider ging auf Prognose und Lebensqualität reanimierter Patienten ein.
"Neben dem Schädel-Hirn-Trauma ist ein Herzstillstand die häufigste Ursache für
ein Koma", so Rohrschneider. Gleichwohl könne heute vielen Menschen sehr gut
geholfen werden - vorausgesetzt, die reanimierten Patienten werden in einem
spezialisiertes Zentrum behandelt.
Auf
die Wichtigkeit einer schnellen und effektiven Therapie hob auch Professor Dr.
med. Nikos Werner ab. Der stellvertretende Direktor der Klinik und Leiter der
Sektion Interventionelle Kardiologie am Herzzentrum der Universitätsklinik Bonn
tritt im April die Nachfolge von Dr. Karl Eugen Hauptmann als Chefarzt der
Inneren Medizin III/Kardiologie an. Professor Werner zeigte die Möglichkeiten
mechanischer Kreislaufunterstützung im kardiogenen Schock auf, etwa die
temporäre Implantation von Herzpumpen. Diese steigern die Auswurfleistung des
Herzens bei gleichzeitiger Entlastung des Herzens.
Unter
bestimmten Umständen kann auch der Einsatz einer miniaturisierten
Herzlungenmaschine (eCPR) die Überlebensrate verbessern, etwa bei Patienten,
die unter Wiederbelebungsmaßnahmen in die Klinik kommen und bei denen das
Sterblichkeitsrisiko bei mehr als 90 Prozent liege, so Stefan Leinen. Der
Oberarzt betonte, dass bei diesen Patienten ein Umdenken nötig sei, da nicht in
erster Linie die Versorgung des Herzens, sondern des Gehirns mit ausreichend
Sauerstoff im Vordergrund stehe.
Dr. Hauptmann erwartet, dass das Cardiac Arrest Zentrum noch in diesem Jahr zertifiziert wird. Erst kürzlich wurden die Kardiologie des Brüderkrankenhauses und somit das Herzzentrum Trier von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) im Bereich der interventionellen Herzklappentherapie (Aortenklappen) als eines von bundesweit 43 TAVI-Zentren rezertifiziert. Hierfür wurden sowohl die interventionellen Leistungen der vergangenen drei Jahre vor Ort durch zwei externe Kardiologen überprüft als auch die Intensivstation, der Hybrid-OP, das Notfallequipment und die Therapieanweisungen.